Als Jugendlicher war ich stets angetan von der popkulturellen Darstellung eines amerikanischen Bourbons. Ein Bourbon war für mich der Inbegriff von Männlichkeit, Freiheit und Härte.
Ein Getränk, das bei praller Hitze in alten Saloons in verstaubten Gläsern ausgeschenkt worden war, an Cowboys die verschwitzt aus der Prärie kamen, die an runden Tischen pokerten, ihren Whiskey, pur, in einem Zug leerten, zu schnellen Pianoklängen einem Rivalen aufs Maul hauten und im Anschluss eine Prostituierte weghämmerten, während des Nachts in der Ferne ein Coyote zum Rascheln der Klapperschlangen den Mond anheulte. Rollenmodelle à la Clint Eastwood, John Marston und Arthur Morgan. Das waren noch Männer. Männer die Bourbons soffen! Als ich dann meine Whiskeyjungfräulichkeit an einen einfachen Jim Beam verlor und dieser exakt nach Pferdeleckerlis schmeckte, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich nie ein Whiskeytrinker werden könnte und meine medial geprägte Vorstellung archaischer Männlichkeit und romantisiertem Westernepos möglicherweise nicht ganz der Realität entsprach. Nun, wie Ghettophilosoph Bushido einst treffend formulierte, ändern sich sowohl die Zeiten, als auch man selbst. Wo wir beim Woodford Reserve wären.
Ich will es schnell vorwegsagen. Ich bin hin und hergerissen. Der Woodford Reserve ist ein objektiv guter Whiskey – doch lässt er mich an meiner hart erarbeiteten Passion zweifeln und stürzt mich in eine existenzielle Krise. Zum Glück erging es Dan genauso; doch mehr dazu im Fazit.
Woodford Reserve Kentucky Straight Bourbon Whiskey
Der Woodford Reserve ist ein, in Kentucky abgefüllter, purer amerikanischer Whiskey. Er präsentiert sich modern, in einem edlen und schlanken Design, welches die bernsteingoldene Farbe des Whiskeys auf schlichte Art und Weise hervorhebt und positive Erwartungen schürt.
Geruch
Der Woodford Reserve riecht angenehm süß und holzig. Nach braunem, karamellisierten Zucker. Nach alten Eichenfässern und harzverklebten Bäumen. Der Geruch erweckt die Vorstellung an eine Finnensauna, in welcher ein frischer Aufguss auf die glühende Kohle gegossen wird.
Geschmack
Der Woodford Reserve akzentuiert unverkennbar seinen Status als Bourbon, indem er mild und zugleich intensiv nach Mais schmeckt. Er besitzt eine leichte Cremigkeit und entfaltet wohldosierte Vanillearomen, die von fruchtigen Zitruselementen abgerundet werden.
Abgang
Im Abgang behält der Woodford Reserve seine Cremigkeit bei und trumpft noch einmal mit aromatischen Maisaromen auf, die lange und warm im Rachen verbleiben.
Fazit
Am Ende unseres Tastings sahen Dan und ich uns an. Zufrieden, doch unverkennbar irritiert. In den Abgründen meines Verstandes manifestierte sich Achilles, gespielt von Brad Pitt, nachdem er seinen Zweikampf gegen Bogarius gewonnen hatte und schrie herausfordernd:
„Ist das alles? Ist das wirklich alles?“
Ich stimmte ihm gedankenversunken zu. Denn eigentlich hatte der Woodford Reserve doch alles! Er roch angenehm, schmeckte vorzüglich und hinterließ eine wohlige Wärme. Als ich ihn trank sah ich mich auf einer alten, dunkelblauen Harley-Davidson die Route 66 entlangfahren. Vor mir die gefühlte Unendlichkeit des Asphalts. Als einsamer Wolf, frei, unabhängig und doch war es ein einfaches Leben. Simpel. Wie der Woodford Reserve. Insbesondere im Vergleich zu den facettenreichen irischen und schottischen Whiskeys schmeckt der Woodford Reserve eintönig. Und genau hier setzen die Selbstzweifel an. Möglicherweise lag es an mir. Was, wenn ich einfach nicht würdig war diesen Bourbon zu verstehen und ich seine Komplexität schlicht nicht begriff? Was, wenn ich nie der amerikanische Whiskeyliebhaber werden würde, der ich doch in meiner idealisierten Vorstellung war? Zum Selbstbild meiner toxischen hypermaskulinen Männlichkeit gehörte nun einmal der authentische Genuss von Bourbon, wie das Pläneschmieden und Bankenausrauben zur Van Der Linde-Gang. Dan und ich diskutierten viel an dem Abend, selbst Tage darauf. Er probierte ihn noch ein paar weitere Male und bestätigte, dass, je länger er ihn trank, er umso mehr Aromen identifizierte. Neidisch glaubte ich ihm.
Als Abschluss ist es mir daher besonders wichtig zu betonen, dass der Woodford Reserve ein aromatischer, leckerer Whiskey ist. Wer den Geschmack von Bourbon schätzt, wird mit einem Vertreter seiner Zunft belohnt, der mit einer fruchtigen milde glänzt und in jeder Lebenslage, zu jeder Zeit getrunken werden kann. Man kann mit dem Woodford Reserve schlichtweg nichts falsch machen. Wer allerdings auf eine tiefergehende kulinarische Expedition gehen will, könnte diesen Vorzeigebourbon jedoch als zu monoton und minimalistisch empfinden.
Gehabt euch wohl, Krieger, möge der Allvater mit euch sein!
Beste Grüße von Dennis & Dan
No Comments