Whiskey-Know-How

Wie degustiert man Whiskey?

September 15, 2022
Nase, die an einem Whiskey riecht

Mein erster Gedanke war es diesem Artikel die Überschrift „Wie trinkt man Whiskey?“ zu verleihen, doch mir ist schnell bewusst geworden, dass sich die Antwort auf diese Frage als recht banal und kurz erweist. 

Wie trinkt man Whiskey? Naja, Maul auf. Whiskey rein. Schlucken. Nein, das ist keine Anweisung, die du deiner Frau im Bett geben solltest. Auf jeden Fall nicht in dieser Form. Außer sie steht drauf. Ich schweife ab.

Das Trinken eines Whiskeys ist viel mehr als das. Schließlich ist er kein geschmackloser Vodka, den man versucht so schnell wie möglich runterzukippen, um jeglichen Kontakt mit den Geschmacksknospen der Zunge zu vermeiden. Denn sollte einem dieser katastrophale Fehler unterlaufen und es landen doch einige Tropfen Vodka auf der Zunge, so muss man eine kolossale Selbstbeherrschung an den Tag legen, um die Miene nicht zu verziehen. Schließlich will man vor den eigenen Freunden nicht als Lappen dastehen und möchte sie nicht wissen lassen, welch geschmackliche Höllenqualen man gerade erleidet. Am besten trinkt man ihn eisgekühlt, um das letzte Bisschen Geschmack, das diesem abartigen Fusel noch bleibt, zu betäuben.

Die Vodkaliebhaber mögen mir meinen Humor verzeihen, denn ich schweife erneut ab.

Ein guter Whiskey ist wie Poesie, die einem ein Ölgemälde in den Kopf projiziert. Über die Zunge werden Farben, Landschaften, Texturen, ja sogar Melodien wahrgenommen. Man flieht für einen kurzen Moment in eine zauberhafte Fata Morgana, die sich mit dem Einatmen des Whiskeydufts in der Ferne bildet und mit dem langsam abklingenden Nachgeschmack wieder verpufft.

Ich möchte nicht als öder Snob daherkommen. Selbstverständlich kann man einen Whiskey auch bei einem Saufabend mit seinen Freunden genießen oder ihn auf dem heimischen Sofa sitzend dazu verwenden einen harten Arbeitstag runterzuspülen. Es muss nicht im Zusammenhang mit einem Tasting stattfinden, wo man mit gespreiztem kleinen Finger am Kristallglas nuckelt und anschließend den anderen Teilnehmern mitteilt, welche Geschmackseindrücke man meint sich einzubilden.

Doch egal zu welchem Zweck, in welcher Atmosphäre und in welcher Gesellschaft man Whiskey trinkt, der Geschmack spielt immer eine entscheidende Rolle. Wie du diesen Geschmack identifizierst und lernst ihn vom Geschmack des Alkohols zu differenzieren, darum geht es im Folgenden.

Wie identifiziert man Aromen im Whiskey?

Wenn man neu in dem Gebiet der Whiskeydegustation ist, dann kann es einem schwer fallen die einzelnen Aromen zu benennen, die man typischerweise im Whiskey findet. Wenn man als Neuling bewanderten Whiskeykennern bei der Aufzählung von Geschmackseindrücken zuschaut und Assoziationen fallen, wie Kokos, Meersalz oder Räucherschinken, kommt man nicht umher sich zu denken: „Hat der Typ ne Macke? Denkt der sich das aus?“ Die eigenen anfänglichen Tastings sahen schließlich eher so aus: „Wie soll der schon schmecken? Nach Whiskey halt, ne? Süß und nach Alk.“ 

Das liegt daran, dass man einfach noch nicht genügend Assoziationen aufgebaut hat. Dem Hirn fehlen die Muster, mit denen es die Sinneseindrücke abgleichen soll. Doch das kommt mit Zeit und der Menge der degustierten Whiskeys. 

Ein Hilfsmittel, das einem die ersten Degustationen deutlich erleichtert, ist ein Whiskeywheel. Zu Deutsch ein Whiskeyrad bzw. Whiskeykreis. Es gibt dir die typischen Whiskeyaromen vor, was dir die Einordnung der Aromen deutlich erleichtert, denn es ist einfacher seine Eindrücke mit einer Vorlage abzugleichen, als selbst darauf zu kommen. Am äußeren Rand des Kreises findet man die groben Geschmackskategorien, wie süß, fruchtig, Getreide oder Rauch. Zur Kreismitte hin werden die Hilfestellungen immer präziser. Das erleichtert selbst Fortgeschrittenen bei der Findung von Geschmacksassoziationen. Beispiele von verschiedenen Whiskeywheels findest du im Internet. 

Wir kommen sofort zum eigentlichen Ablauf der Whiskeydegustation, wir müssen nur noch kurz klären aus welchen Gläsern und bei welcher Temperatur dein Whiskey am besten zur Geltung kommt.

Welche Trinktemperatur sollte ein Whiskey haben?

Grundsätzlich trinkt man Whiskey bei Zimmertemperatur. Das bedeutet bei einer Temperatur zwischen 19 und 22 °C. Diese Temperatur bietet ein breites und ausbalanciertes Aromaspektrum. Es spricht jedoch nichts dagegen bei bereits bekannten Whiskeys mit unterschiedlichen Temperaturen zu experimentieren, um zu schauen, wie sich der Lieblingswhiskey dabei verhält. 

In welchen Gläsern degustiert man Whiskey?

Die wuchtigen Tumbler, die man aus Filmen kennt, wirken zwar sehr maskulin, sind aber suboptimal, wenn man sich wirklich auf den Duft eines Whiskeys einlassen möchte. Die Aromen verfliegen ungehindert aus dem breiten Glas und viele Dufteindrücke sind für die Nase nicht mehr wahrnehmbar. Natürlich kann man einen bereits vertrauten Whiskey auch im Tumbler on the Rocks genießen, doch wenn du die maximale Erfahrung aus deinem Getränk kitzeln möchtest, so kommst du ohne ein tulpenförmiges Glas nicht aus. 

Ein bauchiges Glas, das sich nach oben hin verjüngt, gibt den Aromen die Möglichkeit sich im Glasinneren anzustauen und konzentriert durch die enge Öffnung auszutreten. Dadurch kannst du die volle Bandbreite der Duftstoffe aufnehmen, die der Whiskey zu bieten hat. Unser Favorit ist momentan das Glencairn-Glas.

Glencairn Glas gefüllt mit Whiskey auf Holztisch
Glencairn Glas

Die vier Komponenten der Whiskeydegustation

Das Degustieren von Whiskey besteht aus Optik, Geruch, Geschmack und Nachgeschmack. 

Unerwarteterweise nimmt der Geruchssinn die dominante Rolle bei der Geschmackswahrnehmung ein. Während unsere komplette Farbwahrnehmung nur aus drei Grundfarben (blau, rot und gelb) zusammengesetzt wird und unser Geschmackssinn auf fünf Grundgeschmacksarten (süß, sauer, salzig, bitter und umami) basiert, schätzt man, dass es 32 primäre Aromen gibt.

Unsere Zungen sind mit 9000 Geschmacksknospen ausgestattet, doch besitzen wir zwischen 50 und 100 Millionen Geruchsrezeptoren. Wir können Aromen in unvorstellbar geringen Mengen wahrnehmen.

Trotzdem ist es der Gesamteindruck, der beim Whiskeytasting zählt. Erst in Kombination von Optik, Geruch, Geschmack und Textur können wir einen Whiskey wertschätzen.

Wie begutachtet man einen Whiskey?

Whiskeykenner begutachten gerne die Farbe ihres Getränks, bevor sie zum Riechen bzw. dem Nosing übergehen. Nach dem Motto „das Auge isst mit“ geht es darum den Whiskey kennenzulernen und den Ton für den weiteren Verlauf des Tastings zu setzen. Halte dein Glas in das Licht und schwenke es leicht. 

Ist dein Whiskey eher trüb oder klar? Eine Trübung könnte darauf hindeuten, dass hier keine Kaltfilterung zum Einsatz kam. Immer mehr Destillerien verzichten auf eine Kaltfilterung, da vielen Whiskeyfans ein potenziell trüber Whiskey lieber ist, als auf die Geschmacksträger zu verzichten, die bei einer Filterung verloren gehen. 

Welche Farbe hat dein Whiskey? Bei Scotch z.B. weist eine eher helle Farbe auf eine Reifung in Ex-Bourbonfässern hin. Eine dunklere Farbe indiziert Ex-Sherryfässer, während Rosé- oder Kupferfarben für gewöhnlich durch die Reifung in ehemaligen Portweinfässern entstehen. 

Doch um ehrlich zu sein halte ich das beglotzen des Whiskeys für überbewertet. Die Farbe sagt nämlich nur wenig über den Geschmack des Gesöffs aus. Auch die Faszination mit den Fenstern bzw. Tränen, die sich am Glasrand bilden, ist eher unbegründet. Einige „Experten“ versuchen anhand dieser Schlieren die Qualität oder Viskosität des Whiskeys abzulesen, wie eine Wahrsagerin, die im Kaffeesatz deine Zukunft vorhersieht. Die Tränen verraten dir aber höchstens etwas über den Alkoholgehalt des Whiskeys doch der steht bereits auf der Flasche. 

Bestaune gerne die Farbe deines Whiskeys. Wir tun das auch. Doch versuche nicht etwas magisches darin zu erkennen.

Wie riecht man an einem Whiskey?

Die einfachste Methode an einem Whiskey zu riechen ist die Dip-in-dip-out-Technik. Dazu nähert man sich mit der Nase dem Glas bis der Geruch etwas zu intensiv wird und leicht in der Nase beißt. Diesen Punkt versucht man anschließend nicht zu überschreiten und entfernt das Glas wieder. Das kann man so oft wiederholen, wie man möchte. Dabei ist es wichtig nicht in das Glas auszuatmen, sondern erst, wenn man es von der Nase entfernt hat, da man sonst die ganzen Aromen aus dem Glas pustet, die sich dort angesammelt haben. 

Bei dieser Technik wird man feststellen, dass sich die Aromen in Abhängigkeit von der Entfernung zum Whiskey unterscheiden. Eher leichte Duftstoffe, wie florale Noten dominieren bei einer weiten Entfernung zum Getränk, während schwere Duftstoffe, wie Malz und Torfrauch, auf kurzer Distanz in den Vordergrund treten. 

Tages- und uhrzeitabhängig kann bei jedem Menschen ein Nasenloch freier sein als das andere. Bei Einigen ist ein Nasenloch sogar dauerhaft sensibler als das andere, darum ist es von Vorteil die Dip-in-dip-out-Technik auch einseitig anzuwenden, um für sich herauszufinden, welches Nasenloch aktuell aufnahmefähiger ist. 

Whiskey Nosing: Dip-In-Dip-Out-Methode
Dip-In-Dip-Out-Methode

Die Pendeltechnik ist eine besonders dynamische Methode, die es einem erlaubt fließend von einer einseitigen zur beidseitigen Inhalation überzugehen und gleichzeitig die unterschiedlichen Entfernungen zum Glas mit einbezieht. Dazu schwenkt man den Whiskey unterhalb der Nase, wie ein Pendel, von links nach rechts, atmet dabei ein und atmet am Glas vorbei wieder aus. 

Whiskey Nosing: Pendel-Technik
Pendel-Methode

Egel für welche Methode du dich entscheidest, nimm den Whiskeykreis zur Hilfe, um dir die Aromaidentifikation zu erleichtern.

Wie verköstigt man einen Whiskey?

Wenn man nicht an hochprozentige Spirituosen gewöhnt ist, ist es schwer bei den ersten Verköstigungen den Alkoholgeschmack auszublenden und sich nur auf den Eigengeschmack des Whiskeys zu konzentrieren. Besonders bei den stärkeren Small Batch-, Single Barrel- und Fassstärkeabfüllungen, von denen die letzteren einen Alkoholgehalt von über 60% erreichen können. Darum gilt es zu erst seine Sinne gegen den konzentrierten Alkohol zu desensibilisieren. 

Die schonendste Variante ist es einen winzigen Schluck auf der Zunge zu verteilen und ihn dort eine Weile ruhen zu lassen. So vermischt sich die kleine Menge Whiskey schnell mit dem Speichel, die Zunge gewöhnt sich langsam an den Biss des Alkohols und der Eigengeschmack des Getränks kommt stärker zum Vorschein. 

Wenn man sich bereits mehr zutraut, dann nimmt man einen etwas größeren Schluck Whiskey und benetzt damit den gesamten Mundraum. Dabei kann man sich ruhig Zeit lassen und so tun, als würde man sich den Mund nach dem Zähneputzen ausspülen. Wenn abgesehen von der Zunge die Innenseite der Lippen, der Gaumen und die Unterseite der Zunge mit dem Whiskey in Berührung kommen, dann erhält man einen tieferen, intensiveren und ganzheitlichen Eindruck vom Getränk. Außer den intensivierten Geschmackseindrücken spürt man, ob sich eine Wärme im Mund ausbreitet oder ob der Whiskey doch eher kühlend wirkt. Ist er dünn- oder dickflüssig?

Mit jedem Mal rückt der Alkoholgeschmack weiter in den Hintergrund und der wahre Whiskeygeschmack tritt in den Vordergrund. Nimm hierbei auch wieder den Whiskeykreis zur Hilfe, denn auf dem Gaumen wirst du zum Teil andere Geschmäcker wahrnehmen, als beim vorangegangen Nosing. 

Nachgeschmack eines Whiskeys

Der Nachgeschmack setz ein nachdem man den Whiskey runtergeschluckt hat und kann dabei unterschiedlich lange dauern. Er entsteht durch den Whiskeyfilm, der im Mund und Rachen zurückbleibt und die dadurch resultierenden Dämpfe. Das Erlebnis reicht von kurz und süß bis lang, wellenartig wiederkehrend und sich wandelnd wie Loki auf halluzinogenen Pilzen. In anderen Worten ausgedrückt befindet sich an einem Ende der Geschmacksskala ein von Schulterzucken begleitetes „Mäh“ und auf der anderen ein „was, bei Odins Bart, habe ich da eben gesoffen?!“

Je öliger der Whiskey, desto länger haftet er an den Wänden des Mund- und Rachenraums. Dein Erlebnis des Nachgeschmacks kannst du intensivieren, indem du das auch unter Pfeifen- und Zigarrenrauchern bekannte „Retrohaling“ anwendest. 

Hinter diesem fancy klingenden Anglizismus verbirgt sich das gute, alte, deutsche „durch die Nase ausatmen“. In unserem Fall pusten wir jedoch keinen Rauch durch die Nase, sondern Whiskeydämpfe. Diese bleiben nach jedem Schluck im Mund- und Rachenraum zurück. Wenn wir ausatmen, werden diese Aromen an den Geruchsrezeptoren vorbei durch die Nase geleitet, was dem Geschmacksempfinden einen richtigen Kick verleiht. 

Whiskey mit Wasser verdünnen oder nicht?

Ob du deinen Whiskey mit Wasser verdünnen solltest oder nicht, ist eine Frage des Geschmacks. Viele schwören darauf, dass ein paar Tropfen Wasser den Whiskey „öffnen“. Tatsächlich hilft das Wasser dabei Aromen, die der Alkohol bindet, zu lösen und für uns wahrnehmbar zu machen. Jedoch sind nicht alle Whiskeys dafür empfänglich und auch nicht jeder Whiskeyliebhaber. Welchen Whiskey man verdünnt und mit wieviel Wasser, muss jeder für sich herausfinden. Die Profis in den Destillerien verköstigen die Whiskeys verdünnt auf 20% Alkoholgehalt. Probier es einfach aus.

Am Ende des ist der Whiskeygenuss eine sehr individuelle Sache. Wie die Jungs vom Whiskey Tribe zu sagen pflegen: Trink den Whiskey, der dir schmeckt und auf deine Art und Weise.

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