Islay Scotch Whisky

Ardbeg Uigeadail – Des Whiskys unbarmherzige Seele

Juli 1, 2020
Whiskey-Review: Ardbeg Uigeadail

Musstet ihr euch mal richtig boxen? Als ihr wusstet, entweder ich knocke den Gegner innerhalb der ersten Schläge aus oder ich bin am Arsch? Ich bin der festen Überzeugung, dass viele Menschen gar nicht wissen, wie sich dieser Adrenalincocktail aus Angst, Zorn, Verzweiflung und Urinstinkten tatsächlich anfühlt, schließlich sind physische Konfrontationen in der heutigen Zeit geächtet, als unsozial stigmatisiert und, wenn es sich nicht gerade um einen sportlichen Wettkampf handelt, verboten. Aus gutem Grund, schließlich liegt das Gewaltmonopol einer modernen, demokratischen Gesellschaft beim Staat und Konflikte werden im Idealfall friedlich und mittels spezialisierter Behörden des Rechtssystems ausgetragen.

Für alle verbindliche Gesetze, die bei Missachtung von der Polizei durchgesetzt werden und uns im schlimmsten Fall eine Anzeige und gerichtliche Verurteilung einbringen, sind der Garant eines jeden Menschen vollkommen naiv tagtäglich auf die Straße zu gehen und zu erwarten, dass ihm nichts passiert. Es bedeutet Ordnung, ohne dessen tägliche Durchsetzung Chaos, Anarchie und Willkür herrschen würde. So die Theorie und abhängig der sozialen Kreise und Gegenden, in denen man sich bewegt, Praxis. All die Menschen die jedoch schon einmal Opfer einer Straftat wurden oder in prekären Verhältnissen, also in verdreckten und armutsgeprägten Ghettos aufgewachsen sind, wissen, dass im entscheidenden Moment keine Polizei, Regeln und Gesetze, sondern einzig der eigene Überlebenswille, Kampffähigkeiten und Waffen zählen.

Bevor es zu einer Schlägerei kommt bricht Panik aus. Lähmende Angst lässt Arme und Beine schwer wie Blei werden, während das rationale Denken zu einer einzigen Konfusion verkommt, die nach drei Dingen gleichzeitig schreit. Fliehen, in Katatonie verfallen oder kämpfen. Kämpfen bis der Angreifer bewusstlos geschlagen oder zumindest kampfunfähig winselnd auf dem Boden liegt. Genau das vermittelt der Ardbeg Uigeadail. Er ist hart, urtümlich, kompromisslos und somit nicht für jeden geeignet.

Ardbeg Uigeadail

Das Flaschendesign des Ardbeg Uigeadail könnte für Hexenmeister entworfen worden sein. Das dunkelgrüne, schummrige Glas, auf welchem eine schwarze, goldumrahmte Banderole mit weißer Schrift klebt, verspricht dem geneigten Genießer, dass er in diesem hochprozentigen, schottischen Islay Whisky die Beantwortung all der dunklen, verborgenen Fragen findet. Für einen Preis. Im Glas wirkt der goldene Whisky wie öliges, klebriges, dunkles Bernstein.

Geruch

Der erste Geruchseindruck war unglaublich intensiv. Der Uigeadail riecht unverkennbar nach Torfrauch, geschmolzenem Karamell, ätherischen Ölen, einer leichten Meeresbrise, süß cremig, dezent fruchtig und nach Sherryholz.

Geschmack

Ja moin! Der Ardbeg Uigeadail detoniert förmlich im Mund, als sei er ein instabiles Pulverfass, das mit jeder Explosion neue Wellen an Geschmäckern freilegt. Er schmeckt nach Torfrauch und fruchtigen Rosinen, irgendwie schlammig, dezent sauer und salzig, umlagert von einer unterschwelligen, jedoch nicht erdrückenden Schärfe, nach Schwarzwälder Kirschtorte und unverkennbar nach Zuckerrübensirup. Der Verzehr dieses Whiskys ist ein Drama in drei Akten; wechselhaft, chaotisch, durchdrungen von Leben und Tod. Ein Schlachtfeld des 18. Jahrhunderts, auf dem ein einsamer Soldat durch den stickigen, schwarzen Schießpulverrauch und Kanonennebel watet, apathisch auf die Kadaver der verstümmelten Menschen und Pferde hinabblickt, die in den verregneten, blutdurchtränkten Schlammpfützen qualvoll verendeten.

Abgang

Erneut überrascht der Ardbeg Uigeadail im Abgang mit einem wellenhaften Geschmacksverlauf. Er schmeckt, als ob man beim Tough Mudder mit dem Kopf unter den Schlamm gedrückt wird oder in die leicht verkohlte Kruste eines Schweinebrötchens vom Mittelaltermarkt beißt und anschließend auf Leder kauen würde. Das Beste daran ist, dass diese Geschmäcker nicht langsam abklingen, oh nein. Dan und ich hatten noch mehrere Minuten das Gefühl, wir hätten einen Lederdildo gedeepthroatet. Naja, was will man machen.

Fazit

Der Ardbeg Uigeadail ist erbarmungslos hart, lecker und nicht zu unterschätzen. Kein Wunder, säuft man ja auch 54,2 %igen Schnaps. Für Islay Liebhaber, die auf starken, rauchigen und abwechslungsreichen Whisky stehen, dem man sich widmen muss und nicht nebenher trinken kann, ist er bedingungslos zu empfehlen. Leuten, die einen feinen, milden Tropfen schätzen, der zur Entspannung taugt, kann man nur dringlich vom Kauf abraten. Dan und ich haben den Ardbeg Uigeadail als direkten Kontrast mit dem Laphroaig 10 verglichen. Nun, was soll ich schreiben. Der Laphroaig schmeckte im direkten Vergleich wie fruchtige Capri Sonne.

Selbstverständlich sind Geschmäcker subjektiv und jeder ordnet Aromen, nach individueller Präferenz, anders ein, jedoch würde ich salopp behaupten, dass man für den Uigeadail arbeiten muss. Jeder, der gerne Whisky trinkt und auf der Suche nach neuen Erfahrungen ist, wird um diesen Schotten einfach nicht herumkommen, ganz gleich, ob er ihn am Ende mag oder im Regal stehen lässt. Was mich zu meinen Anfangsüberlegungen zurückbringt. Wenn ihr einem Ardbeg Uigeadail gegenübersteht, verfallt weder in eine lähmende Schockstarre, noch tretet unehrenhaft den Rückzug an. Kämpft! Kämpft und siegt! Und selbst wenn ihr unterliegen solltet und beschämt den Rückzug antreten müsst, bedenkt, dass ihr verdammt nochmal alles gegeben habt!

Ich will dieses Review mit einer Danksagung schließen. Als Kind, genauer gesagt im Kindergarten, gab mir meine Oma einst simplen Ratschlag:

„Wenn dich jemand angreift, dann haust du ihm so auf die Fresse, dass er sich nicht mehr bewegt.“

Meine Oma

Mehr als 20 Jahre später weiß ich: Welch vollkommene und wahrhaftige Ruhrpottweisheit.
Vielen Dank, Oma!

Bleibt standhaft,
Dennis & Dan

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